Rheinischer Karneval mit all seinen lokalen Varianten
Für die Menschen im Rheinland – von Nordrhein-Westfalen bis nach Rheinland-Pfalz – ist der Karneval ein ganz besonderes Lebensgefühl, etwas, das zum Leben dazugehört. Er vermittelt Gefühle von Freude und Teil einer starken Gemeinschaft zu sein. Besonders in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche erweist sich seine integrierende Kraft: Nach Notzeiten setzte das Fest Impulse zum Wiederaufbau und Flüchtlinge vermochten durch aktive Mitgestaltung Wurzeln in der neuen Heimat zu schlagen.
Die Willkommenskultur des Karnevals wirkt sehr einladend. Migranten finden in ihm einen einfachen Zugang zur regionalen Gemeinschaft. Gemeinsam „jeck“ zu sein, sich verkleiden, in andere Rollen zu schlüpfen und ausgelassen zu feiern, gehört ebenso zum Karnevalsfest wie das ehrenamtliche und soziale Engagement.
Der bis Anfang des 13. Jahrhunderts zurückreichende Festkomplex des Rheinischen Karnevals definiert sich als Schwellenfest unmittelbar vor der vorösterlichen Fastenzeit im christlichen Jahreslauf. Das gemeinschaftliche Verzehren von vor allem verderblichen Lebensmitteln vor der Fastenzeit ist die ideelle und inhaltliche Grundlage für den Karneval wie er in vielen Teilen Deutschlands unter Begriffen wie „Fasnet“, „Fastnacht“ oder „Fasching“ gefeiert wird.
Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurde die Fastnacht als sündhaftes, endliches Leben interpretiert. Vor diesem Hintergrund trat die Figur des gottesfernen Narren mit der Fastnacht in Verbindung – mit Narrenmasken und Kostümen wurde fortan symbolisch die gesellschaftliche Ordnung in Frage bzw. auf den Kopf gestellt.
Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ausgehend von Köln eine bürgerliche Form des Karnevals. Um die vielfältigen Festformen zu reorganisieren und zentralisieren, wurde 1823 ein Festordnendes Komitee eingerichtet. Am Fastnachtsmontag wurde ein Maskenzug als Höhepunkt des Festes durchgeführt, der jahrtausendealte Herrschereinzüge nachahmte und persiflierte. Dazu traten der Held, später Prinz, „Karneval“ als Personifikation des karnevalistischen Frohsinns sowie Karnevalsgesellschaften, Karnevalssitzungen und Maskenbälle als weitere konstitutive Elemente hinzu.
Die Lieder und Büttenreden auf diesen Veranstaltungen sind geprägt vom Dialekt und von einem hohen Maß identitätsstiftender Inhalte. Die karnevalistischen Ausrufe „Alaaf“ oder „Helau“, die Narrenzahl Elf, die Narrenkappe und Orden gehören ebenso zu den konstituierenden Elementen. Andere Städte und Regionen übernahmen im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts die Festgestaltung und gaben ihr mit Abänderungen des Ausrufes, der Figuren etc. ein spezifisches lokales oder regionales Gepräge.
Mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts wurde die Karnevalszeit deutlich ausgedehnt. Beginn ist nun der 11. November mit der Vorstellung des Prinzen, Prinzenpaares oder Dreigestirns. Der Tag der Heiligen Drei Könige entwickelte sich zum Auftakt des Sitzungskarneval, die Weiberfastnacht zum Auftakt des Straßenkarnevals und der Rosenmontag löste den Karnevalsdienstag als zentraler Festtag ab.
Im Kontext der Märzrevolution 1848/49 und der einhergehenden Politisierung der Gesellschaft wurde der organisierte Karneval für alle sozialen Schichten geöffnet und die Thematisierung von politischen Entwicklungen in den Büttenreden, in Liedern und in Motivwagen wurde fester Bestandteil des Festes. Seit dieser Zeit haben sich weitere Rituale und Spielweisen im Rheinischen Karneval entwickelt. Er ist heute gleichermaßen Ort der Begegnung, Wirtschaftsfaktor und Aushängeschild für die Region in der ganzen Welt.
Aufnahmejahr: 2014; Quelle: Deutsche UNESCO-Kommission
Offizielle Trägerorganisationen
Festkomitee des Kölner Karnevals von 1823 e.V./ Gemeinnützige Gesellschaft des Kölner Karnevals mbH
Maarweg 134 – 136
50825 Köln
Festausschuss Bonner-Karneval e.V.
Hohe Straße 81
53119 Bonn
Comitee Düsseldorfer Carneval e.V.
Zollstraße 9
40213 Düsseldorf
FestAusschuss Aachener Karneval e.V.
Postfach 10 01 13
52001 Aachen